Der Goldpreis erlebt aktuell turbulente Zeiten, und es scheint, als würden dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Nach einem rasanten Einbruch von 100 US-Dollar pro Unze steht der Markt vor einer unsicheren Zukunft. Verantwortlich dafür sind mehrere Faktoren, die das Edelmetall unter Druck setzen.
Am 7. Juni 2024 erlebte der Goldpreis einen dramatischen Absturz von 100 US-Dollar innerhalb eines Tages. Noch am Morgen war der Preis auf dem Weg, die 2400 US-Dollar-Marke zu überschreiten, doch am Ende des Tages schloss er unter 2300 US-Dollar. Die Ursache für diesen plötzlichen Preissturz war ein Schock für die Märkte: Die People’s Bank of China (PBoC) stellte ihre Goldkäufe im Mai ein. Nach 18 Monaten kontinuierlicher Käufe entschied sich die chinesische Zentralbank erstmals, kein Gold mehr zu erwerben.
Zieht China bei Gold den Stecker?
Die Entscheidung der PBoC, ihre Goldkäufe zu pausieren, wurde von den Finanzmärkten mit Besorgnis aufgenommen. China ist seit Jahren ein bedeutender Akteur auf dem Goldmarkt, und eine Veränderung ihrer Kaufstrategie hat unmittelbare Auswirkungen auf die Preise. In den Monaten zuvor hatte die PBoC ihre Käufe bereits reduziert, von 390.000 Unzen im Februar auf 60.000 Unzen im April.
Neben Chinas Kaufstopp gibt es weitere Faktoren, die den Goldpreis belasten. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Federal Reserve (Fed) zögern, die Zinsen in absehbarer Zeit signifikant zu senken. Die EZB hat zwar im Juni 2024 die Leitzinsen um 0,25 Prozent gesenkt, doch diese Maßnahme wird als symbolisch und nicht als Beginn einer größeren Zinswende betrachtet.
Die Erwartungen an eine baldige Rückkehr zu niedrigen Zinsen wurden enttäuscht, und EZB-Chefin Christine Lagarde deutete an, dass die Inflation weiterhin eine Herausforderung bleibt und dass eine dauerhafte Zinswende nicht in Sicht sei.
Fed: Abwarten und Tee trinken?
Die Fed zeigte in dieser Woche ein ähnliches Bild. Trotz Hoffnungen auf Zinssenkungen hält die US-Notenbank an ihrem restriktiven Kurs fest. Fed-Chef Jerome Powell erklärte, dass die Inflation hartnäckiger sei als zunächst angenommen und dass es länger dauern könnte, bis eine Lockerung der Geldpolitik in Betracht gezogen werden könne. Die Prognosen für die Inflationsraten wurden erneut nach oben korrigiert.
Ein weiterer Druckfaktor auf den Goldpreis ist der starke US-Dollar. Da Gold in US-Dollar gehandelt wird, macht ein stärkerer Dollar das Edelmetall für Käufer außerhalb der USA teurer, was die Nachfrage verringert. Auch die abnehmenden Inflationsängste tragen zur schwachen Performance des Goldes bei. Viele Anleger sehen weniger Bedarf, Gold als Inflationsschutz zu halten, da die Inflationsprognosen moderater ausfallen als zuvor.
Technische Verkäufe und saisonale Schwankungen verstärken die Schwierigkeiten für den Goldpreis zusätzlich. Traditionell ist der Sommer eine schwache Zeit für die Goldperformance, und viele Investoren nutzen diese Periode für Gewinnmitnahmen. All diese Faktoren haben dazu geführt, dass der Goldpreis in den letzten Wochen erheblich unter Druck geraten ist.
Doch gerade die Summe dieser Argumente, die für einen fallenden Goldpreis sprechen, könnten dem gelben Metall zu einem neuen Höhenflug verhelfen. Denn frei nach dem legendären Queen-Klassiker „I want to break free” durchbricht Gold derzeit viele althergebrachte Muster. Die Notenbanken zögern mit der Zinswende? Gold scheint dies relativ egal zu sein. Die Inflation hält sich hartnäckig? Gold reagiert kaum. Kurzum: Gold macht derzeit sein eigenes Ding – und China wird dabei künftig auch kräftig mithelfen. Es wird spekuliert, dass China möglicherweise hinter den Kulissen weiterhin Gold kauft oder auf günstigere Preise wartet, um seine Bestände zu erhöhen. Solche strategischen Bewegungen könnten den Markt unerwartet beeinflussen und eine neue Aufwärtsbewegung einleiten.
Ein neues Zeitalter
Wir leben in einer neuen Zeitrechnung. Die Märkte haben sich durch das größte geldpolitische Experiment der Menschheitsgeschichte stark verändert. Die Notenbanken stehen mit ihrer Zinspolitik mit dem Rücken zur Wand: Einerseits müssen sie die Geldpolitik straffen, um die Inflation zu bekämpfen, andererseits drohen sie, durch zu hohe Zinsen das wirtschaftliche Wachstum abzuwürgen. Die steigenden Zinsen erhöhen die Kosten für Kredite und belasten sowohl Unternehmen als auch Verbraucher. Dies könnte zu einem Rückgang der Investitionen und der Konsumnachfrage führen, was wiederum die Wirtschaft schwächt.
Ihre wichtigste Mission, die Bekämpfung der Inflation, scheint allmählich zu scheitern: Das Inflationsgespenst scheint schwer zu bändigen, und die Finanzmärkte müssen sich auf eine zunehmende Unsicherheit einstellen. Die goldenen Zeiten des billigen Geldes sind vorbei – und ausgerechnet der Goldpreis entwickelt sich in diesem neuen Umfeld erstaunlich gut. Eines ist sicher: Die alten Regeln scheinen nicht mehr zu gelten, die Märkte müssen sich auf neue Realitäten einstellen – dazu gehört auch ein Goldpreis weit jenseits der 2.000 Euro pro Feinunze.