Rasante Goldpreis-Rally
Viele Anleger werden sich die Augen reiben angesichts der Goldpreis-Entwicklung in den vergangenen Wochen. Dagegen wurden jene Goldinvestoren enttäuscht, die auf einen stärkeren Rücksetzer hofften, um noch einmal günstiger einzusteigen.
Betrachten wir dazu ein paar aktuelle Zahlen. Der Goldpreis erreichte in dieser Woche vier weitere Rekorde in Folge. Auf Euro-Basis gab es sogar sechs Tage hintereinander einen neuen Höchststand. Am Dienstag beendete der Goldpreis den US-Futures-Handel (Dezember-Kontrakt) mit 2.759 US-Dollar pro Unze. Das entsprach 2.556 Euro. Dabei zog der Euro-Goldpreis aufgrund des stärkeren Währungsverfalls noch deutlicher an als der Kurs auf Dollar-Basis.
Seit Jahresanfang hat sich Gold um 33 Prozent bzw. 36 Prozent (in Euro) verteuert (Stand: 23.10.24). Die folgenden beiden Charts zeigen diese Entwicklung:
Wie weit die Gold-Rally mittlerweile fortgeschritten ist, verdeutlichen die technischen Indikatoren (Goldpreis-Anstieg: Langsam wird es unheimlich). Zuletzt notierte der Goldpreis satte 18 Prozent über seinem 200-Tage-Schnitt. Dabei sieht man im Euro-Goldchart bereits Ansätze einer „Fahnenstange“, also dem Symbol einer extremen, kurzfristigen Überhitzung. Das heißt, eine Kurskonsolidierung wird mit jedem neuen Rekordtag wahrscheinlicher.
Argumente für Gold
Tatsache ist aber auch, dass jeder kleine Rücksetzer auf dem Goldmarkt in den vergangenen Wochen immer wieder als Kaufgelegenheit angesehen wurde. Das Interesse an dem Edelmetall bleibt groß. Dafür gibt es neben dem übergeordneten Faktor der weltweiten Überschuldung eine tendenziell steigende Anzahl von kurz- und mittelfristigen Gründen.
- Inflation: Während die Konjunktur weltweit schwächelt, bleibt Inflation ein Thema – generell, die schwindende Kaufkraft des Geldes.
- Zinssenkungen: Die westlichen Zentralbanken haben die Zinswende eingeläutet. Davon profitiert Gold generell.
- Steigende Renditen: Dennoch verteuerten sich zuletzt die Kosten der Staatsfinanzierung (steigende Marktzinsen). Das kann den Bankensektor unter Druck bringen und steigert die Risiken von Haushalts- und Staatskrisen.
- De-dollarisierung: BRICS-Staaten wenden sich vom US-Dollar ab und kaufen verstärkt Gold
- Steigende Staatsschulden: Egal, wer in zwei Wochen die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt: die USA werden sich weiter dramatisch verschulden und hohe Haushaltdefizite produzieren. Das schwächt den US-Dollar.
- Geopolitik: Die Kriege in Nahost und in der Ukraine sind zwar Nebenschauplätze auf dem Gold-Parkett – dazu der schwelende China/Taiwan-Konflikt. Aber auch diese Krisen verstärken die institutionelle und staatliche Goldnachfrage.
Man darf allerdings nicht übersehen, dass es in einer langfristigen Hausse immer wieder zu Übertreibungen kommt. Spekulanten, die noch auf den Trend ausspringen wollen, sind bereit immer höhere Preise zu zahlen, bis es zu einer Konsolidierung oder einen technischen Korrektur kommt. Je nachdem, wie stark die Kurse vorübergehend nach unten laufen, verwendet man den einen oder anderen Begriff (Konsolidierung: bis zirka -10%).
Korrekturen auf dem Goldmarkt
Gewichtige Kurskorrekturen auf dem Goldmarkt – von 40 Prozent und mehr – haben wir in den vergangenen Jahrzehnten bereits erlebt. Allerdings waren diese meist von einem veränderten geldpolitischen Umfeld oder einer bewältigten Krise begleitet.
1980 erhöhten die USA drastisch die Zinsen, um die Inflation zu bekämpfen. Daraufhin sank der Goldpreis innerhalb einer langen Phase von 20 Jahren um rund 70 Prozent.
2012 gab es den „Draghi-Put“, als der damalige EZB-Präsident im Zuge der Eurokrise erklärte, man werde alles tun (innerhalb des Mandats), um den Euro zu erhalten.
Hinzu kam eine Phase heftiger Manipulationen auf dem Goldmarkt. Denkwürdig sind die “Flash-Crashs” im April und Juni 2013. Alles in allem korrigierte der Goldpreis im Zeitraum von Mitte 2011 (1.900 USD) bis Ende 2015 (1.050 USD) um rund 45 Prozent.
Auch nach Bewältigung der Corona-Krise kam der Goldpreis kurzzeitig zurück. 2020 hatte die Feinunze Gold erstmals mehr als 2.000 US-Dollar gekostet. Bis Mitte 2021 sank die Notierung um 19 Prozent auf 1.678 Dollar.
Und auch nach dem zwischenzeitlichen Wiederanstieg, im Umfeld des Angriffs Russlands auf die Ukraine, konsolidierte der Goldpreis. Damals ging es ausgehend von 2.043 US-Dollar um 20 Prozent zurück auf 1.630 US-Dollar.
Anschließend schossen die Inflationsraten rasant nach oben – in der Eurozone auf bis zu 10,6 Prozent im Oktober 2022. Das war schließlich der Ausgangspunkt für die jüngste Goldpreis-Rally. Seither ist der Goldpreis um 69 Prozent angestiegen.
Korrektur-Szenario
Wir sehen also, dass sich auch in den vergangenen vier Jahren bereits zwei 20-Prozent-Korrekturen auf dem Goldmarkt ereigneten. Um das ins Verhältnis zu setzen: Würde eine solche Schwächephase zeitnah ausgelöst, dann könnte der Goldpreis vom aktuellen Niveaus aus (2.759 USD/2.556 Euro) auf rund 2.200 US-Dollar bzw. 2.050 Euro zurückkommen.
Die Frage ist nur, welches Ereignis könnte zu einer solchen Kurskorrektur führen? Darüber lässt sich nur spekulieren.
Die US-Präsidentschaftswahl kann eine entscheidende Rolle spielen. Und in diesem Zusammenhang womöglich ein vorläufiges Ende der geopolitischen Krisen (Kriege) in Nahost und in der Ukraine. Damit würde sicherlich einiges an Unsicherheit aus dem Markt genommen. Das wäre zumindest denkbar, wenn Donald Trump ins Oval Office zurückkehrt und sein „Friedens-Versprechen“ tatsächlich umsetzen kann.
Außerdem müssten sich die USA aus der Stagflation befreien, so dass die Wirtschaft wieder robuster wächst, aber gleichzeitig die Inflationsraten nicht überschießen. Das würde den US-Dollar stärken und Gold tendenziell belasten. Die Fed könnte eine moderate Geldpolitik einschlagen, in der sie die Zinsen relativ konstant hält und damit Optimismus verbreitet.
Langfristige Perspektive
Ich spreche hier über vorübergehende Erscheinungen. Denn wie wir zuletzt immer wieder erlebt haben, ist die nächste Krise nie sehr weit entfernt. Oder sehen wir jetzt schon den großen Showdown, an dessen Ende eine Reformierung unseres Geld- und Währungssystems steht? Dafür gibt es derzeit keine konkreten Anzeichen.
Aber die Grundsituation bleibt, wie so oft beschrieben, dramatisch. Nur mit einer fortwährenden und immer stärkeren Schuldenaufnahme lässt sich die gesellschaftliche Ordnung aufrechterhalten. Und dies resultiert in der systematischen Kaufkraftvernichtung unseres gesetzlichen Geldes.
Deshalb: Wir befinden uns bereits in einer großen, übergeordneten (Schulden-)Krise. Allerdings wechseln kurzfristig immer wieder die Arten der von ihr ausgelösten Verwerfungen. In diesem Sinne darf man jede Goldpreis-Korrektur als herzliche Einladung ansehen, privates Vermögen noch einmal verbilligt mit Gold abzusichern.