Gutscheine unter Geldwäsche-Verdacht?

Stehen Käufer von Gutscheinen & Guthabenkarten künftig unter Geldwäscheverdacht? // Bildnachweis: Eigenes Werk

Ich bin überzeugter Bahnfahrer – und, wie man in Österreich wohl sagen würde, bekennender „Sparefroh“. Deshalb war ich wie elektrisiert, als vor einigen Wochen in Deutschland ein großer Discounter endlich mal wieder Wertgutscheine für Fahrkarten der Deutschen Bahn anbot. Der Deal ist so simpel wie genial: Die Karten haben einen Gegenwert von 30 Euro und werden für 27 Euro abgegeben – ein Rabatt von 10 Prozent, den ich als rasender Reporter gern nutze. Bei früheren Aktionen dieser Art legte ich rechtzeitig vorher ein wenig Erspartes zurück, um mir einen Vorrat an Bahn-Gutscheinen bei der Rabatt-Aktion anzulegen und die Wertkarten in den darauf folgenden Monaten einzusetzen. Es war keine Seltenheit, dass ich mit 20 oder 30 Gutscheinen aus dem Supermarkt kam – und mehrere Geschäfte nacheinander abklapperte.

Geschenk-Gutscheine für die Liebsten kaufen? Vorsicht, Geldwäsche-Verdacht !

Doch im Jahr 2024 wurde ich mit diesem Kaufverhalten ungewollt zum Geldwäsche-Verdächtigen: „Das geht so nicht“, sagte die Dame an der Supermarktkasse, als ich meinen lang ersehnten Gutschein-Nachschub auf das Förderband legte. Sie zählte den Stapel durch – 15 Gutscheine zu je 27 Euro, insgesamt also 405 Euro. „Da muss ich erst mit dem Chef sprechen“, sagte sie und verschwand. Nach einer internen Beratung mit der Marktleitung im Umfang von 15 Minuten wurde das Urteil gefällt. Ich würde meine Gutscheine bekommen, wenn ich ein Formular ausfüllen würde: „Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet“, sagte die Kassiererin. Aus der Ferne entdeckte ich die Abkürzung „GWG“ auf dem Formular und einen Hinweis, dass die Datenerfassung für alle Wert- und Geschenkkarten ab einem Gesamtwert von 100 Euro pro Kauf und Kunde und Monat anzuwenden sei, neben Bahn-Gutscheinen also auch auf digitale Bezahlkarten wie „Paysafecard“ oder eine Geschenkkarte für Muttis Lieblings-Blumenversand.

Während ich meinen Namen und Vornamen, mein Geburtsdatum, meine Anschrift, meine Ausweisnummer, die ausstellende Behörde meines Ausweises und diverse andere Daten in das Formular eintrug, fertigte die Kassiererin eine Kopie meines Kassenbons an – mitsamt allen Seriennummern der Geschenkkarten, die ich gerade gekauft hatte. Eigentlich hätte sie alle Nummern händisch in das Formular eintragen müssen, was den Vorgang womöglich um weitere 15 Minuten verlängert hätte.

Immer weniger ist anonym möglich

Als ich wenig später mit dem Stapel Bahn-Wertkarten den Supermarkt verließ, hatte ich nur noch einen Gedanken: Was ist hier eigentlich los? Dass die Bargeldgrenze für anonyme Goldkäufe von 15.000 auf 10.000 und in Deutschland inzwischen auf 2.000 Euro gesenkt wurde – damit haben wir uns in der Edelmetallwelt abgefunden.

Der Preis für 1 Unze Gold liegt beim derzeitigen Goldpreis in Deutschland schon über der Anoymitätsgrenze. In Österreich können Goldfans bis zu einem Gegenwert von 10.000 Euro Goldmünzen und -barren auch noch anonym kaufen.

Krügerrand | 1 Unze | Goldmünze 2.572,70 

Aber dass die Geldwäsche-Grenze nun bereits ab 100 Euro gelten soll und der Kauf von vier Geschenk-Karten eine Bürokratie nach sich zieht, die an einen Bauantrag erinnert – geht’s noch?

Ja, es geht – und was ich erlebt habe, ist völlig normal. Das Europäische Parlament hat bereits im Jahr 2018 mit großer Mehrheit dem Richtlinienentwurf für eine Änderung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie zugestimmt. Damals wurde der Schwellenwert, ab dem eine Kundenidentifizierung bei der Nutzung von E-Geld-Prepaid-Karten erforderlich ist, von 250 auf 150 Euro abgesenkt. In Deutschland galt bereits damals ein Schwellenwert von lediglich 100 Euro. Dies hatten offenbar die Supermärkte, in denen ich bisher meine Bahn-Karten völlig anonym kaufen konnte, noch nicht mitbekommen. Doch 2024 war ich dann auch an der Reihe.

Richtline gegen “anonyme E-Geld-Produkte”

Und möglicherweise ist mein Sparmodell beim Bahnfahren ohnehin bald Geschichte: Denn die Europäische Kommission hat bereits im Jahr 2022 einen Referentenentwurf für eine weitere Verschärfung der Anti-Geldwäsche-Vorschriften veröffentlicht. Demnach müsste künftig jeder, der einen Gutschein kauft oder einlöst, seinen Personalausweis vorzeigen. Der Handelsverband HDE und der Prepaid-Verband Deutschland (PVD) schlug damals sofort Alarm und warnte vor einem Aus der “anonymen E-Geld-Produkte” sowie vor unnötiger Bürokratie an der Supermarktkasse – und hinter den Kulissen der Supermärkte, denn es müsste für jeden Gutschein geprüft werden, ob er unter den Begriff „E-Geld“ fällt.

Dies wäre beispielsweise bei Gutscheinen des Discounters Aldi der Fall, die sowohl bei Aldi Nord als auch bei Aldi Süd genutzt werden können – und weil es zwei verschiedene Firmen sind, sind Aldi-Gutscheine somit virtuelles Geld. Das Gleiche gilt für Tankkarten – denn Tankstellen werden, selbst wenn sie zu einer Kette gehören, von unterschiedlichen Firmen als Franchise-Nehmern betrieben. Dagegen ist der Gutschein, der vom örtlichen Blumenhändler ausgestellt wird und nur dort einlösbar ist, nicht von der Geldwäsche-Richtlinie betroffen – wie unromantisch, den ganzen Schwiegersöhnen zum Muttertag auch noch Geldwäsche zu unterstellen.

Die EU-Kommission sieht sich beim Kampf gegen Bahn-Gutscheine und Co. auf der guten Seite der Macht: Sie will damit Geldwäsche und Terrorfinanzierung erschweren. Denn offenbar nutzen Kriminelle die Gutscheine, um mit illegal erlangtem Bargeld zu bezahlen und die Gutscheine dann weiterzuverkaufen. Die Gutschein-Branche sieht dies freilich anders, für sie sind die Geschenk-Karten vor allem für risikoarme Zahlungen kleiner Beträge gut geeignet. Und eine Identifizierung an der Supermarktkasse würde die Kunden dazu bewegen, künftig die Finger von den Geschenkkarten zu lassen – wer will schon gern unter Geldwäsche-Verdacht geraten, während beim Discounter an der Kasse das halbe Dorf zuschaut?

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