Finanzmarkt-Panik und Gold: Das war ein Warnschuss!

Zu Wochenbeginn machte sich Panik an den Finanzmärkten breit. Der Mini-Crash muss Anlegern eine dringende Warnung sein. Auch Goldanleger sollten sich erinnern. // Bildnachweis: Goldreporter.de

Goldpreis-Entwicklung

In den vergangenen Monaten erreichte der Goldpreis immer wieder neue Allzeithochs. Die Rekordrally 2024 begann am 1. März. Seinerzeit schloss der Kurs auf Basis der US-Futures mit 2.095 US-Dollar pro Unze und toppte erstmals das alte Hoch vom 27. Dezember 2023. Danach folgten bis zur aktuellen Bestmarke bei 2.480,80 US-Dollar 23 weitere Rekordtage. Doch nun bekam die Goldhausse erstmals einen markanten Dämpfer.

Der Kursrutsch unterschied sich vor allem inhaltlich von den kleinen Rücksetzern des laufenden Jahres. Warum? Weil der Goldpreis im Zuge der Finanzmarkt-Panik am vergangenen Montag mit in die Knie ging. Das widersprach dem allgemeinen Verständnis von Gold als sicherem Hafen und signalisierte eine tatsächliche Ausnahmesituation.

Der Japan-Carry-Trade

Schon in den Tagen vorher gab es Unruhe an den Märkten, die auch mit dem Zögern der Fed in Sachen Leitzins und mit Warren Buffetts Apple-Aktienverkäufe zu tun hatten. Aber das Börsenbeben zu Wochenbeginn startet in Japan. Der Nikkei-Index erlitt am Montag den größten Tagesverlust seit 1987 – mit am Ende rund 8 Prozent. Als Auslöser der Panik wurde die Zinserhöhung in Japan am Mittwoch der Vorwoche und das Platzen des beliebten “Japan-Carry-Trades” identifiziert.

Hintergrund: Der Japan-Carry-Trade ist eine Anlagestrategie, bei der Investoren Kapital zu niedrigen Zinssätzen in Japan aufnehmen und es in Anlagen mit höheren Renditen in anderen Ländern investieren. Diese Strategie beruht auf den traditionell niedrigen Zinssätzen in Japan im Vergleich zu anderen Ländern, was es Investoren ermöglicht, von den Zinsdifferenzen zu profitieren.

 

Der japanische Leitzins wurde überraschend angehoben. Die Zentralbank muss die steigende Inflation bekämpfen (derzeit: 2,8 %). Aber Japans Wirtschaft hat sich nach dem Boom der 1990er-Jahre nie wieder richtig erholt. Niedrige Zinsen (und Inflation) gehörten in den vergangenen Jahrzehnte zum gewohnten Bild. Darin sahen institutionelle Investoren große Chancen - in Form des "Japan Carry-Trades" (Quelle: Trading Economics).

Das Platzen dieses Trades bedeutet, dass Investoren aufgrund unprofitabler Bedingungen ihre Positionen schnell auflösen müssen. Das führte im aktuellen Fall zu erheblichen Marktbewegungen und finanziellen Verlusten, unter anderem durch eine starke Aufwertung des Yen (siehe Abbildung unten).

Der Yen-Kurs stieg zum Monatswechsel stark an (in diesem Fall sinkender USD-Yen-Kurs) und verschärfte die Lage (Quelle: Stock3)

Das heißt, Investoren mussten scharenweise Anlagen verkaufen und diese Vermögenswerte in Cash umwandeln, um ihre Verluste zu decken und die aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen. Diese Entwicklung führt in der Regel zu einem plötzlichen und signifikanten Abfluss von Kapital aus verschiedenen Märkten, was die Volatilität und Instabilität auf den Finanzmärkten weiter verstärkt.

Die Marktvolatilität wird beispielsweise vom Volatilitätsindex VIX der Chicagoer Optionsbörse CBOE angezeigt. Und dieser schlug am Montag gewaltig nach oben aus (siehe Grafik unten).

VIX: Starker Volatilitätsanstieg zu Wochenbeginn, dann Beruhigung (Quelle: CBOE)

Wenn alles verkauft wird …

In unserem Kontext bedeutete dies, dass institutionelle Investoren in einer solchen Situation auch (gut gelaufene) Gold- und Silber-Positionen auflösen. Generell sind von diesem Abverkauf alle möglichen Assetklassen betroffen. So gingen am Montag beispielsweise auch Kryptowährungen in die Knie.

Eine ähnliche Entwicklung (alles wird für Cash verkauft)  haben wir in der Finanzkrise von 2008 erlebt. Damals explodierte der Goldpreis zwar kurz nachdem klar wurde, dass Lehman Brothers fallen gelassen wird. Allerdings brach der Kurs des Edelmetalls in den folgenden drei Monaten um mehr als 20 Prozent ein. Dass dabei auch manipulative Kräfte am Werk waren, ist nicht auszuschließen – genau wie in den vergangenen zwei Wochen. Diese Annahme bleibt aber zunächst reine Spekulation.

Auch in der Finanzpanik von 2008 (Lehman-Pleite) wurde alles gegen Cash verkauft. Dabei kam auch der Goldpreis unter Druck. Bis Jahresende sank er um 22 Prozent, um dann bis Ende 2009 um mehr als 70 Prozent anzusteigen.

Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass der Goldpreis oft erst einige Zeit nach einer Krisen-Eskalation nachhaltig nach oben läuft. So stieg Gold ausgehend vom historischen Tief im Dezember 2008 innerhalb von zwölf Monaten um 70 Prozent.

Und auch nach der letzten großen Schwächephase im Zeitraum von 2013 bis 2015 zog der Goldpreis stark und nachhaltig an. Damals öffneten die Zentralbanken die Geldschleusen bis zum Anschlag, auch zur Bewältigung der Euro-Krise. Die Zinsen sanken auf null und blieben eine Weile dort. Und schließlich ließen die Folgen dieser ungezügelten Geldmengen-Ausweitung und diverse externe Effekte (Corona, Russlands Angriff auf die Ukraine) die Inflation eskalieren und den Goldpreis auf das jüngste Rekordniveau steigen.

Immer wieder Einstiegs-Chancen

Was lernen wir daraus? Der Goldpreis kann in akuten Krisenphasen entgegen der Erwartungen stark zurückkommen. Aber solche “Korrekturen” boten in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gute Kaufgelegenheiten für Edelmetall-Anleger.

Und sollten wir erneut in eine verheerende Finanzkrise rutschen, dann werden jene Goldanleger, die ihr Metall in den vergangenen Monaten auf den Markt geworfen haben, womöglich wenig Freude an ihren Erlösen haben. Denn Gold mag an der Börsen billiger werden, dessen tatsächlicher Wert drückt sich nicht in den Zahlen einer Fiat-Währung aus.

Die Erfahrung zeigt auch, dass Gold und Silber nicht beliebig verfügbar sind, egal zu welchem Preis. Vergessen wir nicht die vielfach leergekauften Edelmetall-Shops, zuletzt im Zuge der Corona-Krise.

Es bleibt dabei. Gold sollte man nicht primär als Spekulationsobjekt betrachten. Das Metall ist in seiner physischen Form (Goldbarren & Bulliongoldmünzen) vor allem eine extrem wichtige finanzielle Versicherung. Viele Goldbesitzer haben sie in den vergangenen Monaten aufgelöst, vielleicht aus Gier, zumindest aus Leichtsinn.

Der nächste große Run auf Gold und Silber im nächsten Finanzbeben ist absehbar. Schon in früheren Beiträgen (Gold auf Rekord-Niveau: Machen Sie nicht diesen Fehler!) habe ich darauf hingewiesen, dass sich eine kommende Edelmetall-Knappheit gegenüber früheren Mangellagen noch deutlich verschärfen wird. Denn aufgrund des boomenden Sekundärmarktgeschäftes haben die Prägeanstalten ihre Produktion zuletzt stark zurückgefahren. Außerdem landete viel Gebrauchtware in der Schmelze und ist im Zweifel bereits auf dem Weg nach Fernost.

Aktuelle Lage

Doch zunächst einmal muss man feststellen, dass die erste Panik am Mittwoch bereits weitgehend aus dem Markt verschwunden war. Der US-Dollar machte wieder etwas Boden gegenüber dem Yen gut. Aktien wurden wieder gekauft und auch der Goldpreis erholte sich. Bei Gold sahen wir nach dem Rutsch wieder Notierungen über 2.400 US-Dollar beziehungsweise 2.200 Euro pro Unze. War es das schon mit dem Crash oder kommt da noch mehr?

"Furcht und Gier"-Index von CNN am 7. August 2024: Die Märkte sind weiter nervös (Quelle: CNN).

Es ist weiterhin Vorsicht geboten. Die Märkte sind nervös, angesichts der Unsicherheiten über die konjunkturelle Entwicklung, neuer Finanzmarkt-Risiken und geopolitischer Konflikte. Der vielbeachtete Fear & Greed Index von CNN zeigt nach wie vor „Extreme Angst“ (Abbildung oben). Allerdings liegen Gier und Angst derzeit nahe beieinander. Denn der übergeordnete Optimismus ist weiterhin groß an den Aktienmärkten, genauso wie die Angst, etwas zu verpassen (FOMO).

Bankenstabilität

Außerdem muss man zur Kenntnis nehmen, dass im Kernzentrum unseres Finanzsystems augenscheinlich noch entspannte Ruhe herrscht. Zwar sind die Prämien für Kreditausfallversicherungen (CDS) im Bankensektor zuletzt wieder gestiegen (siehe Tabelle unten). Wir sehen jedoch Credit Spreads, die noch weit entfernt sind von den Höchstwerten im Zuge der Corona-Krise oder im Rahmen der Bankenpleitewelle in den USA im Frühjahr 2023. Ganz zu schweigen von den Prämien im Umfeld der Lehmann-Pleite. Damals wiesen die US-Banken CDS-Werte von 400 und mehr auf.

Banken-CDS (Credit Default Swaps): Die angegebenen Basispunkte stellen die Versicherungsprämie dar, die der Versicherungsnehmer zu entrichten hat, um sich gegen einen Ausfall der Schuldverschreibungen des jeweiligen Unternehmens abzusichern.

Man muss die Entwicklung weiter aufmerksam beobachten. Denn die Bankenstabilität ist ein ganz wesentlicher Aspekt, egal welchem Krisenszenario wir begegnen. Kippen große Banken, dann ist das gesamte Finanz- und Geldsystem in ernster Gefahr und damit auch die privaten Ersparnisse und unzähligen Finanzprodukte. Im Grunde stellt sich nur die Frage, welchen Namen der nächste „Schwarze Schwan“ tragen wird.

Deshalb müssen die jüngsten Geschehnisse als dringender Warnung angesehen werden. Auch von Goldbesitzern, die sich ohne Not von ihrer physischen Vermögensversicherung trennen.

Goldchart – keine Panik

Goldpreis in Euro, 6 Monate, Tagesschlusskurse, Basis: US-Futures (Dezember-Kontrakt) per 6. August 2024. Der Bereich um 2.200 Euro ist eine bedeutende kurzfristige Unterstützungszone. Erst unter 2.150 Euro würde es kritisch.

Werfen wir abschließend einen Blick auf die charttechnischen Rahmenbedingungen, um die Lage aus spekulativer Sicht einzuordnen. Auch nach dem Kursrücksetzer bewegt sich der Goldpreis sowohl in US-Dollar als auch in Euro im achtwöchigen Aufwärtstrend. Erst mit Schlusskursen (US-Futures) unter 2.300 US-Dollar beziehungsweise 2.150 Euro müsste man eine ernstzunehmende Kurskorrektur fürchten.

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