Comeback der Mehrwertsteuer für Gold – nur eine weitere Verschwörungstheorie?

Noch ist Anlagegold von der Umsatzsteuer befreit // Bildnachweis: © Eigenes Werk

Gold genießt im Vergleich zu vielen anderen Anlageklassen gleich mehrere Privilegien – doch wie lange noch? Bislang gilt die Befreiung von der Mehrwertsteuer als unantastbar. Doch eine Wiedereinführung könnte mit altbekannten Argumenten unkompliziert durchgesetzt werden.

Die Erinnerungen an den Kauf meiner ersten Goldmünze sind bis heute präsent – allerdings nicht nur wegen der Freude über diese außergewöhnliche Ergänzung für meine Münzensammlung, sondern wegen einer bösen Überraschung. Ich hatte im Alter von sechs Jahren damit begonnen, Silbermünzen aus dem Deutschen Kaiserreich zu sammeln – und ein Jahr später wollte ich von meinen Ersparnissen eine 20-Mark-Goldmünze aus Preußen mit dem Bildnis von Kaiser Wilhelm II. kaufen. Beim Innenstadt-Bummel mit meinen Eltern irgendwann im Jahr 1992 schaute ich bei der örtlichen Commerzbank vorbei, bei der damals eine Liste mit allen verfügbaren Goldmünzen im Schaufenster aushing – doch beim genaueren Hinsehen entdeckte ich einen Hinweis: Alle Preise zuzüglich 14 Prozent Mehrwertsteuer. Also musste der Kauf der Goldmünze verschoben werden.

Dass Goldmünzen zu Anlagezwecken mit der Mehrwertsteuer belegt werden, ist für uns heutzutage unvorstellbar – denn seit 1993 ist Anlagegold umsatzsteuerfrei, sofern

  • der Feingehalt mindestens 99,5 % beträgt und
  • die Münzen nach 1800 geprägt wurden und
  • im Ursprungsland als Zahlungsmittel anerkannt sind oder waren sowie
  • höchstens zum 1,8-fachen Materialwert verlauft werden.

Drei Jahrzehnte ohne Mehrwertsteuer für Gold – sind die Tage trotzdem gezählt?

Durch eine Änderung des so genannten „Verbrauchsteuer-Binnenmarkt“-Gesetzes wurde in Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar 1993 eine Steuerbefreiung „für Umsätze im Geschäft mit Goldbarren, mit Goldmünzen, die als gesetzliche Zahlungsmittel gelten, mit unverarbeitetem Gold und für die Vermittlung dieser Umsätze“ aufgenommen. Die damals gültige Mehrwertsteuer von 14 Prozent entfiel seitdem beim Kauf von Goldmünzen, die nah am Weltmarktpreis für Gold als Rohstoff gehandelt werden – und auch von der schrittweisen Erhöhung der Mehrwertsteuer in Deutschland von 14 auf inzwischen 19 Prozent bekamen Edelmetall-Anleger nichts mit.

Ähnlich sieht es in Österreich aus – die dortigen Regelungen sind sogar noch etwas sammlerfreundlicher als in Deutschland:

  • Alle Goldmünzen, die mehr als 250 Prozent des reinen Materialwertes kosten, aber vor 1800 geprägt wurden, dürfen mit dem reduzierten österreichischen Mehrwertsteuersatz von 10 Prozent verkauft werden – diese Regelung trifft also auch auf historische Goldmünzen zu, die in erster Linie als Sammlungsstücke nachgefragt werden.
  • Der Regelsteuersatz von 20 Prozent fällt nur bei Goldmünzen an, die vor 1800 geprägt worden sind und Münzen, bei denen der Verkaufspreis mehr das 1,8-Fache und weniger als das 2,5-Fache des Goldmarktpreises beträgt.

Bislang keine ernst zu nehmenden Diskussionen rund um eine Wiedereinführung der Mehrwertsteuer

Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund zur Sorge, dass diese Regelungen in naher Zukunft zur Disposition stehen. In den letzten Jahren gab es keine signifikanten Diskussionen über die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer für Anlagegold in Deutschland oder Österreich. Anlagegold, einschließlich der meisten Goldmünzen und -barren, ist nach wie vor von der Mehrwertsteuer befreit, sofern es bestimmte Kriterien erfüllt. Die Regelung wurde im Jahr 1993 eingeführt, um den Goldhandel innerhalb der EU zu harmonisieren. Die Mehrwertsteuerbefreiung für Anlagegold basiert auf der EU-Richtlinie 98/80/EG und ist in ganz Europa gültig.

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Spiegelregeln für Edelmetallhandel über Nacht ändern? Silber-Anleger haben es erlebt!

Doch ist die Steuerbefreiung für Goldprodukte als Wertanlage wirklich „safe“? Wie schnell es gehen kann, zeigt, die Entwicklung der steuerfreien Behandlung von Silberanlageprodukten in Deutschland. Anders als bei Gold unterliegt Silber in Deutschland der vollen Mehrwertsteuer. Und es gab in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt Anpassungen im Steuersatz:

Vor 2014 galt ein ermäßigter Steuersatz von 7 Prozent für Silbermünzen, seitdem werden Silbermünzen und -barren mit dem regulären Steuersatz von 19 Prozent besteuert.

Dies führte zu einer erhöhten Nachfrage nach differenzbesteuerten Silberprodukten, bei denen nur die Handelsspanne besteuert wird, um die Steuerlast zu mindern – bis das Bundesfinanzministerium praktisch über Nacht per Rundschreiben diese Möglichkeit kippte. Die Edelmetallbranche konnte hinter den Kulissen eine Galgenfrist heraushandeln, doch zum Ende des Jahres 2022 war mit der Differenzbesteuerung für Silberanlagemünzen in Deutschland offiziell Schluss.

Für die meisten Privatanleger war es ein Schlag ins Gesicht, dass die Änderung ausgerechnet an einem verlängerten Wochenende rund um den Tag der Deutschen Einheit bekannt gegeben wurde, wenn Otto Normalverbraucher etwas Besseres zu tun hat, als die Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums zu studieren. Und nicht nur Anleger wurden überrascht, auch Händler waren mit der sofortigen Umsetzung der Direktive und beispielsweise der Umstellung ihrer Buchhaltungssoftware schlicht überfordert. Das Misstrauen ist groß, dass eine solche Hauruck-Taktik auch bei einer möglichen Änderung der Spielregeln für den Goldhandel zum Einsatz kommen könnte.

Differenzbesteuerung weiterhin möglich – doch Edelmetall-Anleger sind verunsichert

Zwar haben in Deutschland in der Zwischenzeit viele Handelshäuser neue Möglichkeiten aufgetan, weiterhin differenzbesteuerte Silbermünzen anzubieten – doch es bleibt eine rechtliche Unsicherheit. Die Folge: Der Handel mit Investment-Münzen aus Silber ist bei den meisten Edelmetallhändlern in Deutschland regelrecht zusammengebrochen.  Und es gibt nicht wenige Edelmetall-Investoren, die fest davon überzeugt sind, dass dieser Nebeneffekt beabsichtigt war.

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Maple Leaf | 1 Unze | Differenzbesteuert | Silbermünze 34,60 

Bislang genießt Anlagegold in Deutschland und Österreich noch zwei Privilegien: Die Steuerfreiheit beim Verkauf von physischem Gold nach einem Jahr Haltedauer und die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht bei physischem Gold. Doch die Politik versucht, auch an diese Privilegien verstärkt Hand anzulegen: Wir erinnern uns an den Februar 2024, als eine Gesetzesinitiative von Bündnis 90/Die Grünen zur Abschaffung der 12-monatigen Spekulationsfrist für Gold und  Silber bekannt wurde. Wir erinnern uns auch an den Sommer 2020, als eine Wiedereinführung der Abgeltungsteuer für Xetra-Gold und ähnliche Gold-ETCs per Gesetzesentwurf kurz bevorstand.

Gold-Steuer mithilfe altbekannter Argumente?

Sollte der chronisch klamme Staat auf die Idee kommen, neue Einnahmequellen zu finden, wäre die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer für Gold leicht umsetzbar – und die passenden Argumente liegen auf der Hand: Anstelle des offensichtlichen Ziels, zusätzliche Einnahmen für den Staatshaushalt zu generieren, werden sicherlich Begriffe wie „Gerechtigkeit“ und die Angleichung der Besteuerung an andere Anlageformen genannt oder die „Eindämmung von Steuerflucht“, um die Nutzung von Gold durch finstere Gestalten (die gleichen, die auch die 500-Euro-Scheine für ihre krummen Geschäfte verwendet haben) zur Steuervermeidung zu erschweren.

Glaubwürdige Gegenargumente wie ein Wettbewerbsnachteil (Goldinvestitionen in Europa würden weniger attraktiv, Anleger könnten auf ein Drittland außerhalb der EU ausweichen), eine Marktstörung (Mögliche negative Auswirkungen auf den Goldhandel! Seit wann kümmert sich eine Regierung um die Belange des Edelmetallhandels?) oder der Anlegerschutz (Gold wird oft als sicherer Hafen genutzt, insbesondere in Krisenzeiten – und ist deshalb vielen Politikern ein Dorn im Auge) werden dann höchstwahrscheinlich unter den Tisch fallen gelassen.

Mehrwertsteuer für Goldmünzen – eine Form des Goldverbotes ohne Aufreger-Potenzial?

Unterm Strich wäre im Gegensatz zu einem kompletten Goldverbot, bei dem sicherlich viele Bürger in ganz Europa eine Einschränkung ihrer Freiheitsrechte beklagen, wäre die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer für Anlagegold ein wirksames Mittel, um den Handel mit Gold in Europa zu belasten und das Investment in Edelmetalle für Anleger unattraktiver zu machen – so wie es bei Anlagesilber bereits gelungen ist.

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