Gold auf Rekordjagd: Und täglich grüßt das Allzeithoch?

Gold Allzeithoch: Die Gold-Rally geht weiter | Bildnachweis: © Eigenes Bild

Ich saß am späten Abend des 1. Dezember 2023 in unserem Wohnzimmer mit einem Glas Wein vorm Kamin und ließ die weihnachtliche Stimmung auf mich wirken, als es plötzlich aus meinem Handy dröhnte: „Gold auf Allzeithooooooooooch!“ Mein Gold-Kumpel Walter Hell-Höflinger aus Wien stand zur selben Zeit bei winterlichen Temperaturen von einem Grad plus in seinem Garten und strahlte in die Kamera seines Smartphones – und sein Jubel klang, als seien gerade die ersten Menschen auf dem Mars gelandet. Auch mich erfasste augenblicklich der Goldrausch: 2.074 US-Dollar war der neue Rekord – ein Wert, der zuvor noch unerreichbar schien.

Dass wir nur drei Monate später fast täglich die Nachricht „Gold auf Allzeithoch“ hören und ich diese Nachricht hinnehme wie den Wetterbericht, hätte ich nie für möglich gehalten. Und dabei bin ich überzeugter Gold-Bulle. Meinen ersten Krügerrand bekam ich zur Konfirmation im Jahr 2000, damals hatte die Feinunze einen Wert von rund 300 Euro – heutiger Wert etwa 2.200 Euro. Meinen ersten Goldbarren kaufte ich im Jahr 2007 zum Preis von 1.487 Euro für 100 Gramm – ganz zum Ärger meines Bankberaters. „Was wollen Sie kaufen? Goldbarren? Wirklich? Sie wissen aber schon, dass Gold keine Zinsen abwirft.“ Das mag sein, aber der Barren hat heute einen Wert von über 7.000 Euro.

Goldbarren | Münze Österreich | 100 Gramm
Münze Österreich | 100 Gramm | Goldbarren 8.270,70 

Als Fachjournalist mit einem Fokus auf Finanzen und Wirtschaft begleite ich die Entwicklung des Goldpreises seit 2012. In dieser Zeit haben wir eine Achterbahnfahrt erlebt, parallel zu einem Wechselbad der Gefühle an den Finanzmärkten. Gold wurde oft kleingeredet und gelegentlich auch mit merkwürdigen Kursbewegungen (gern mitten in der Nacht aus heiterem Himmel) nach unten gedrückt. Zwischen 2011 und 2016 ging es kontinuierlich bergab. Über die Jahre haben sich die Argumente für Gold nicht geändert, doch der Goldpreis bewegte sich eher unauffällig und in einem Zick-Zack-Kurs mit ständigen Rückschlägen nach oben. Gold war lange Zeit ein stiller Held – und wer in Gold investiert hatte, musste viel Geduld und den Glauben an das Gute mitbringen. Denn parallel wurde an den Finanzmärkten hemmungslos gezockt – zuerst mit Aktien, dann mit Kryptowährungen.

Schlägt die Euphorie gerade die Vernunft?

Das Schattendasein von Gold hat sich im Frühjahr 2024 schlagartig geändert: Nachdem der Goldpreis zu Jahresbeginn in einer engen Handelsspanne zwischen 2.030 und 2.060 US-Dollar gependelt war, kam es plötzlich zu einer steilen Aufwärtsbewegung. Jegliche charttechnischen Widerstände wurden gesprengt und Gold bewegte sich jenseits aller Gesetzmäßigkeiten fast parabolisch nach oben.
Es brach eine regelrechte Euphorie aus und die Marktbeobachter überboten sich mit sensationellen Prognosen: 3.000 Dollar bis Mitte des Jahres? 5.000 Dollar bis Jahresende? Mindestens 10.000 Dollar mittelfristig – und eigentlich müsste Gold längst sechsstellig sein – so zumindest die Theorie.

Wenn die irrationale Euphorie, die sich bislang auf Aktien und Kryptowährungen beschränkte, nun auch auf den Goldpreis überspringt, sollten wir einen Schritt zurückgehen. Was ist eigentlich passiert? Wie kann es sein, dass der Goldpreis innerhalb weniger Wochen zweistellige Zuwächse erzielt und offenbar keine Grenzen mehr kennt?

Warum Gold immer weiter steigt

Folgende Erklärungsansätze sind derzeit zu lesen – und sie stellen sich bei näherer Betrachtung als wenig belastbar heraus:

Zuallererst werden die bevorstehende Zinswende und der Sieg über die Inflation genannt – dumm nur, dass sich die Inflation in den Vereinigten Staaten gerade wieder nach oben bewegt und eine Zinswende in weite Ferne rückt. Dann kommen die Notenbank-Käufe – ja, die staatlichen Geldhäuser haben im vergangenen Jahr massiv Gold gekauft, jedoch lag die Gesamtsumme im Jahr 2023 unter dem Rekord des Jahres 2022. Ach ja, der chinesische Goldhunger: China hat im März 2024 nur 19 Tonnen Gold gekauft, der niedrigste Wert in 17 Monaten. Und geopolitische Risiken dürfen beim wirtschaftsjournalistischen Bullshit-Bingo natürlich nicht fehlen – doch hier hat sich über die altbekannten Krisenherde hinaus in letzter Zeit wenig getan (eigentlich eine gute Nachricht).

Hinter den Kulissen gibt es alternative Verdachtsmomente – und diese verheißen aus meiner Sicht nichts Gutes für den Goldpreis: Einerseits wird diskutiert, dass automatische Trading-Systeme den Goldpreis in den Himmel katapultiert haben. Sie erkennen Signale und handeln entsprechend, entwickeln jedoch auch gelegentlich eine Eigendynamik und erschaffen einen Hype, der fundamental nicht gerechtfertigt ist. Andererseits gilt als wahrscheinlich, dass auf dem so genannten „OTC“-Markt eine Wette auf steigende Goldpreise platziert wurde. Der „Over-the-Counter“-Markt ist eine große Unbekannte in der Finanzwelt – es gibt weder einen Ort noch feste Handelszeiten dafür. Preise werden frei ausgehandelt und Transaktionen ohne Beteiligung eines Börsenplatzes abgewickelt. Hier kann also nach Lust und Laune im Hinterzimmer spekuliert und gezockt werden.

Langfristig führt an Gold kein Weg vorbei

Wenn der Goldpreis – jetzt einmal etwas überspitzt formuliert – von wildgewordenen Computer-Systemen oder beim Finanzpoker im finsteren Hinterzimmer gemacht wird, ist meine Freude über ständig neue Allzeithochs bei Gold begrenzt. Denn eines haben die vergangenen Jahre gezeigt: Der Goldpreis ist anfällig für Schwächephasen und neigt dazu, Stimmungsschwankungen an der Börse in extremer Weise zu verarbeiten. Deshalb kann es genau so schnell, wie der Goldpreis derzeit in den Himmel schießt, einen brutalen Absturz geben. Kurzfristig ist der Goldpreis klar überkauft und die gegenwärtige Entwicklung ist nicht gesund. Langfristig führt an Gold jedoch kein Weg vorbei. Und deshalb sind gerade Münzensammler gut beraten, sich an der Wertentwicklung ihrer Goldmünzen zu erfreuen, sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

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