Aktuelle Zinsentscheidung
Am gestrigen Mittwoch senkte die US-Notenbank den amerikanischen Leitzins um 50 Basispunkte auf 4,75 bis 5,00 Prozent. Es war die von vielen Marktteilnehmern erwartete kräftige Zinssenkung. Und in ihren Zinsprojektionen (Dot Plot) stellte die Fed weitere Zinsschritte in diesem und im nächsten Jahr in Aussicht. Nach Bekanntgabe der Entscheidung schnellte der Goldpreis zunächst nach oben mit einem Tagesgewinn von einem Prozent. Bis zum Handelsschluss kam der Kurs jedoch deutlich zurück und beendete den Tag mit einem Minus von 0,4 Prozent.
Goldpreis reagiert
„Sell on good news?“ Manipulation? Festzustellen ist folgendes. Zunächst einmal hatte der Goldpreis vergangene Woche ein weiteres Rekordhoch erreicht. Sicher auch in Erwartung dieser Zinsentscheidung. Es gibt nach wie vor kapitalstarke Händler (Banken), die auf der Short-Seite stehen und Gold gerne tiefer sehen würden, zumindest kurzfristig.
Allerdings wartet man weiter vergebens auf eine bedeutendere Kurskonsolidierung, nachdem der Goldpreis im Jahresverlauf bereits 25 Prozent angestiegen ist. Unterdessen hat sich mit dem Kursprung in der vergangenen Woche auch die charttechnische Lage deutlich verbessert und Gold kostete im US-Futures-Handel zwischenzeitlich mehr als 2.600 US-Dollar pro Unze. Wie geht es nun weiter? Welchen Einfluss wird ein neuer Zinssenkungs-Zyklus auf den Goldpreis haben?
Geldpolitik und Gold – die Langzeitbetrachtung
Die Dinge liegen auf der Hand. Eine Herabsetzung der Zinsen bedeutet eine Lockerung der Geldpolitik. Sie wird von den Zentralbanken durchgeführt, um die wirtschaftliche Aktivität zu fördern und Investitionen zu unterstützen. Die US-Notenbank argumentiert bei mit ihrem Mandat, für maximale Beschäftigung zu sorgen. Das erfolgt auf Kosten des weiteren Ziels, stabile Preise sicherzustellen. Nun erleichtert man erneut die Schuldenaufnahme, um eine wirtschaftliche Krise abzuwehren. Und dieses Muster kennen wir, seit die Geldschöpfung an keinen fundamentalen Anker mehr geknüpft ist. Also mit Aufgabe des Gold-Devisen-Standards Anfang der 1970er-Jahre.
Geldpolitisches Mandat
Die US-Notenbank, die Federal Reserve (Fed), hat drei Hauptmandate, die oft als das „Dual Mandate“ bezeichnet werden, obwohl es tatsächlich drei wichtige Aufgaben gibt:
- Maximale Beschäftigung: Die Fed strebt an, die Arbeitslosenquote so niedrig wie möglich zu halten, ohne Inflation zu verursachen. Sie fördert wirtschaftliche Bedingungen, die für eine hohe Beschäftigungsrate günstig sind.
- Stabile Preise: Die Fed ist bestrebt, die Inflation unter Kontrolle zu halten und Preisstabilität zu gewährleisten. Ein mittelfristiges Ziel ist dabei eine Inflationsrate von etwa 2 %.
- Moderate langfristige Zinsen: Die Fed sorgt dafür, dass die Zinssätze auf einem moderaten Niveau bleiben, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern und Investitionen zu unterstützen.
Problematisch wird es für die heutige Geldpolitik, wenn nicht nur die Konjunktur schwächelt, sondern die Inflation trotz des wirtschaftlichen Abschwungs hoch bleibt. Die Rede ist von Stagflation.
Die offizielle US-Inflationsrate kam zuletzt bis auf 2,5 Prozent (August) zurück – auf den niedrigsten Wert seit Februar 2021. Allerdings liegt die Kernrate weiter bei 3,2 Prozent. Somit war der Rückgang der Inflationsrate stark von niedrigeren Energiepreisen geprägt. Und diese können kurzfristig auch wieder stark steigen.
Geldpolitik im Grenzbereich
Wichtige Feststellung: Die Inflation ist nicht gestoppt, dennoch muss die Fed die Zinsen senken. Das heißt, die Kaufkraft des US-Dollars wird in noch stärkerem Maße durch eine erneut überexpansive Geldpolitik dezimiert werden. Somit wird das deckungslose Papiergeld weiter systematisch gegenüber Gold abwerten.
Denn das Edelmetall muss man als stabile Währung betrachten. Schließlich steigt die weltweite Goldmenge nicht mehr als 2 bis 3 Prozent pro Jahr (Goldproduktion). Und das ist auch noch enorm kostenintensiv. Dagegen wird das Zentralbankgeld quasi per Knopfdruckaus dem Nichts erzeugt (Fiat Money).
Die Konsequenz sehen wir in einem kontinuierlich steigendem Goldpreis. Denn seit 1970 verteuerte sich Gold in dieser Inflationswährung ausgedrückt mit einer durchschnittlichen Rate von rund 8 Prozent pro Jahr.
Gold und Zinsen
Aber wie stark ist der Zusammenhang zwischen Zins- und Goldpreis-Entwicklung wirklich? In der Abbildung unten sehen Sie eine Gegenüberstellung beider Größen im Zeitablauf seit 2015. Bislang galt folgende Devise: Steigende Zinsen belasten den Goldpreis. Sinkende Zinsen führen zu einer Schwächung (in diesem Fall) des Dollars und damit einer Abwertung gegenüber Gold. Der Goldpreis steigt.
Der Verlauf der letzten zehn Jahre zeigt: Bis 2020 griff diese Systematik noch deutlich – etwa 2018/2019, als die Federal Funds Rate anhob (Goldpreis fällt) oder 2020/2021, als die Zinsen gesenkt wurden (Goldpreis steigt). Auch in der Zeit von März bis Oktober 2022 lässt sich dieser Zusammenhang noch feststellen. Aber seither ist diese Systematik außer Kraft gesetzt. Denn trotz der starken Zinsanhebungen bis Anfang 2024 stieg der Goldpreis immer weiter an.
Leitzinserhöhungen hatten mittelfristig keine negativen Auswirkungen auf den Goldpreis mehr. Die starke chinesische Nachfrage und die dortigen Preisaufschläge waren zuletzt sicher ein Faktor. Auch Länder wie Indien, Polen, die Türkei und andere Zentralbanken insbesondere aus dem asiatischen Raum trennen sich zunehmend vom US-Dollar als Reservewährung und kaufen stattdessen Gold. Stichwort: Dedollarisierung.
Das mag auch der Grund sein, warum Gold sich zuletzt bei vorübergehender Kursschwäche immer wieder stabilisierte. Das Interesse, monetäres Gold zu erwerben, ist weiterhin groß. Und das wird so bleiben, sich womöglich noch verstärken, in dem Maße wie die Verwässerung von Dollar und Euro vorausschreitet.
Der Goldpreis – kurzfristige Einflüsse
Die Frage ist nun: Was kann den Goldpreis kurzfristig belasten? Denn in jedem übergeordneten Aufwärtstrend gibt es Kurskonsolidierungen. Hier spielt vor allem das spekulative Element eine Rolle. Kurzfristige Kursübertreibungen werden korrigiert, danach nimmt Gold wieder Fahrt auf.
Seit Beginn der 2024er-Rally haben wir immer wieder kleinere Konsolidierungen erlebt. Der große Rücksetzer von 15 oder 20 Prozent mehr blieb aber bislang aus. Das zeigt einerseits, wie stark die Goldnachfrage ist. Auf der anderen Seite haben wir auch noch kein wirkliches Überschießen des Goldpreises gesehen. Es war ein stetiger, kontinuierlicher Anstieg. Allerdings deutete die Kursbewegung am gestrigen Mittwoch bereits an, dass Gold auch schnell fallen kann, wenn die Short-Seller kurzfristig die Oberhand gewinnen.
Spekulative Gold-Hausse noch nicht ausgereizt
Abgesehen davon gibt es nach wie vor Anzeichen dafür, dass die Gold-Hausse ihren spekulativen Höhepunkt noch nicht erreicht haben kann.
Denn trotz der jüngsten Rekordflut beim Goldpreis gibt es weiterhin keine große Euphorie auf dem Goldmarkt. Diese äußert sich in der Regel in einem Hype unter Privatanlegern und in den Medien.
Zwar gibt es im Mainstream immer wieder Berichte über neue Höchststände, das war insbesondere beim Überschreiten der 2.500-Dollar-Marke der Fall. Allerdings war diese Berichterstattung nicht etwa primär von der Frage begleitet, ob man jetzt noch einsteigen sollte. Im Gegenteil. Man beschäftigt sich vielmehr mit Thema Goldverkauf.
Hier nur eines von vielen Beispielen: Gold jetzt verkaufen? „Bares für Rares“-Experte gibt Tipps
Dagegen endeten große Goldpreis-Zyklen oder zumindest ausgeprägte Aufwärtsbewegungen – in den vergangenen Jahrzehnten immer mit spekulativen Übertreibungen.
In der 2024-Goldrally haben wir bislang noch keine „Fahnenstange“ erlebt. Dieser Begriff stammt aus der Charttechnik. Hier gilt die Devise, dass solche rasanten Kurspitzen immer abverkauft werden. Sprich: Auf den letzten explosiven Kursanstieg, folgt dann unmittelbar eine scharfe Kurskorrektur, die spekulative Übertreibungen korrigiert. Prominentes Beispiel ist die Gold-Hausse, die 1980 endete.
Und obwohl zuletzt viele andere Aspekte in unserer langjährigen Marktbeobachtung für eine vorübergehende Konsolidierung sprachen, haben wir eine solche „Mania“ bislang nicht erlebt. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um den letzten fehlenden Baustein für ein tatsächliche Kurskorrektur. Denn auch im deutschsprachigen Edelmetall-Handel melden die Anbieter immer wieder eine starke Belebung des Ankaufgeschäfts, sobald der nächste Goldpreis-Rekord Schlagzeilen macht.
Was ist anders?
Meiner Ansicht nach ist es einer der größten Unterschiede zu früheren Hochphasen auf dem Goldmarkt, dass wir immer neue Höchststände erleben, ohne das Vorhandensein einer krisenbedingten „Panik“.
In diesem Zusammenhang ist auch die Betrachtung der Google-Suchanfragen interessant. Die folgende Grafik zeigt die Intensität, mit der in der beliebtesten Internet-Suchmaschine in Deutschland nach den Begriffen „Gold kaufen“ (rot) und „Gold verkaufen“ (blau) gesucht wurde.
Der letzte große rote Ausschlag ereignete sich im Frühjahr März 2022. Das war Zeitraum des Einmarschs Russlands in die Ukraine. Bei der Chartspitze davor handelt es sich um die Suchanfragen nach „Gold kaufen“ im Zuge der Ukraine-Krise. In den folgenden Jahren ging die Nachfrage sowohl bei Google als auch im Geschäft mit Anlagegold deutlich zurück.
Dagegen sehen wir einen Anstieg der Suchanfragen mit dem Schlüsselbegriff „Gold verkaufen“, auch wenn die gesamte Zeit (seit 2004) insgesamt deutlich mehr Suchanfragen zum Goldkauf stattfanden.
Großes Verkaufsinteresse
Nebenaspekt: In den vergangenen Monaten konnten viele Händler einen großen Teil der Goldnachfrage mit angekaufter Ware bedienen. Und die gesamte Entwicklung (gedämpfte Goldnachfrage und hohes Angebot aus Goldankäufen) führte im zweiten Quartal zu einer drastischen Entwicklung der offiziellen deutschen und österreichischen Nachfrage nach Goldmünzen und Goldbarren. Dazu werfen wir einen Blick auf die Ergebnisse des letzten Quartalsberichts des World Gold Council (WGC).
Dort wird nur die Goldnachfrage erfasst, die über Prägeanstalten und Großhändler ermittelbar ist. Und diese Zahlen zeigen die ganze Dramatik – vor allem aus Sicht der Münzproduzenten.
Denn für den Zeitraum von April bis Juni 2024 wird für Deutschland und Österreich jeweils nur eine Nachfrage nach Anlagegold im Umfang von 0,5 Tonnen ausgewiesen. Zum Vergleich: Die durchschnittliche deutsche Quartalsnachfrage im Zeitraum von Q1 2010 bis Q1 2024 lag laut den WGC-Zahlen bei 32 Tonnen.
Auf der anderen Seite sehen wir die starke Quartalsnachfrage aus China (166 Tonnen) und Indien (159 Tonnen).
Spielraum bei institutionellen Käufen
Auch die schwache Entwicklung der Investments in westliche Gold-ETFs legt nahe, dass wir von der typischen Kursüberhitzung noch weit entfernt sind. Vermutlich auch deshalb, weil auch die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten gut gelaufen sind.
Das heißt, die Investoren ließen sich aufgrund vorhandener Anlagealternativen selbst von der sehr guten Gold-Performance nicht beeindrucken – geschweige denn, zu einer Kapital-Umschichtung zu Gunsten des Edelmetalls veranlassen.
Generell: Die Stärke und Dauer des Goldpreis-Anstiegs sowie das geschilderte Anlegerverhalten unterscheidet die jüngste Rally von früheren Hausse-Phasen.
Und deshalb kann man offensichtlich die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte und die etablierten Analysemethoden auch nicht ohne weiteres auf die aktuelle Situation anwenden.
Diesmal alles anders?
Dennoch: Gold wird (vor allem wird in Papierform) an Märkten gehandelt wie jeder andere Vermögenswert. Und „Diesmal ist anders“, gilt als der teuerste Spruch an der Börse. Soll heißen: In ähnlichen Marktsituationen handeln die Menschen eben stets in ähnlicher Weise. Und die Gesetze der Börse lassen sich nicht aushebeln. Nach dem „Boom“ kommt der „Bust“. Aber es gibt eben auch sehr lange Zyklen und Ereignisse, die Dinge auf den Kopf stellen können.
Im Rahmen der Japan-Krise Anfang August (Finanzmarkt-Panik und Gold: Das war ein Warnschuss!) brachen neben den Aktienkursen auch die Edelmetall-Preise zeitweilig ein. Diese Entwicklung zeigte, dass die Börse eben keine Einbahnstraße ist.
Sollte Kapital erneut aus Liquiditätsgründen an den Märkten abgezogen, dann dürfte auch der Goldpreis unter Druck kommen.
Und ich bleibe dabei, die systematisch auf dem Goldmarkt short-positionierten (US-)Banken, warten auf eine Gelegenheit, um die zuletzt stetig steigenden Verkaufspositionen glattzustellen.
Fazit
Die aktuelle Gold-Hausse ist mächtig. Vor allem deshalb, weil die Welt sich nicht aus der Schuldenspirale lösen kann und die Kaufkraft unseres staatlichen Geld systematisch verwässert wird. Allerdings wird es auch bei Gold wieder Kaufgelegenheiten geben.